Brauchtum und Alltag

Brauchtum und Alltag um 1910 in Mattsies 

Der ehemalige Ortspfarrer Dekan u. Geistl.Rat Christian Hold hat auf Anfrage des Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde einen sehr interesanten Bericht abgeliefert.

Dieser Bericht wurde veröffentlicht im Buch "Alltag und Brauch in Bayerisch-Schwaben" bearbeitet von Gerhard Willi erschienen 1999 im Verlag Wißner, Augsburg.

Seite 348  Mattsies  (Ortsteil von Tussenhausen)
I. Sitte u. Brauch.
Mattsies (Ortsteil von Tussenhausen)
Ehemaliges Pfarrdorf im Bezirksamt Mindelheim, heute Landkreis Unterallgäu
Statistische Angaben (Stand: 1910)
Fläche in ha Anzahl der Haushalt. Einwohnerzahl Religion Staatsangehörig
1273,7 Haushalte:125 Einwohner:594, davon katholisch 582, protestantisch 12,
Staatsangehörigkeit: Bayern 570, übrige Reichsangehörige 4
Ausländer 20
Der Bericht umfaßt 8 eng beschriebene Seiten, es findet sich nur ein schmaler, freier Blattrand
-Auf Seite 1 oben links der Vermerk: „Dekan u. Geistl. Rat Hold in Mattsies."

1.) Im Alltagsleben: Zeit der Mahlzeiten: 

Erste Mahlzeit morgens im Sommer um 6 Uhr, im Winter 6 1/2 Uhr mit Brodsuppe u. Kartoffel oder auch Milch.
Zweite Mahlzeit um 9 1/2 - 10 Uhr mit Kartoffel u. auch Milch, wo diese letztere nicht gänzlich an die Molkereigenossenschaft, hier Käsküche genannt, abgeliefert wird.
Die 3. oder Hauptmahlzeit mittags gegen 12 Uhr mit Hefenudeln (Dampfnudeln) Krautkrapfen, gedämpften Nudeln, Käsnudeln (i.e. Topfanudeln) Saure Nudeln (geschnittene Nudeln) Suppe v. gerieben. Teig.
Die 4. Mahlzeit, das sg. Brodessen nachmittags 3 Uhr Brod u. Milch oder statt lezterer Weißbier.
Die 5. Mahlzeit, die Abendmahlzeit im Winter gegen 6 Uhr, im Sommer gegen 7 Uhr mit Kartoffel Milch oder Weißbier. Zu der Milch u. zum Bier immer auch gehörig Brod (Mischung von Gerstenmehl u. etwas Roggenmehl). [Randbemerkung links: Als Gemüse kennt man hier nur noch Sauerkraut, Salat u. Rettig. An Schwämmen die Rehlinge, die mit Eiern geröstet werden.]
Beschäftigung an den Abenden. An Winterabenden wird vielfach am Spinnrad gesponnen auch bei der Petroleum-Hängelampe gelesen. Zeit des Zubettegehens 9 Uhr, des Aufstehens für Dienstboten, die in den Stall müßen um 5 Uhr, die andern Hausgenossen zwischen 6 u. 6 1/2 Uhr.

2.) An Fest- u. Feiertagen: Nikolaus beschenkt die Kinder des Hauses u. auch die Dienstbote[n] mit Eßwaaren und Kleidungsstücken. An Weihnachten findet sich fast in jedem Hause ein Christbaum. Neujahr wird besonders von Mitternacht an von den Burschen mit Schießen gefeiert. An Lichtmeß findet der Dienstbotenwechsel, „Schlenkern" genannt statt. Fastnacht wird mit Tanzmusik in dem einen oder andern Wirtshaus gefeiert, manchmal auch Maskenzüge veranstaltet, die es sich zur Aufgabe machen Begebenheiten des vergangenen Jahres, die zu Spott Anlaß gaben, vorzuführen. Aschermittwoch gibt es zur Mittagsmahlzeit Kücheln. Am ersten Sonntag in der Fastenzeit, dem sg. Funkensonntag zünden die Buben der Werk- u. Feiertagsschule auf einer Anhöhe das Funkenfeuer an. Am Osterfestmorgen bringen die Familien Eßwaren (Osterlamm, Eier gefärbte, Kuchen) zur Weihe in das Gotteshaus. In der Nacht zum 1. Mai wird mancher Ulk getrieben, anrüchigen weiblichen Personen ein Maibäumchen auf das Hausdach gesetzt, Läden an den Häusern ausgehenkt u. verschleppt oder auch mit andern verwechselt. Dasselbe geschieht mit Wagen u. Karren. An M. Himmelfahrt werden Blumenbüschel zu Ehren der Muttergottes, die ein alter Dichter unsers Volkes „ein Paradies von Blumen" genannt hat in dem Gotteshaus zur Weihe gebracht. Kirchweih wird mit Tanzmusik verherrlicht. [2] An Allerseelen beschenken die Pathen ihre Pathenkinder mit den sg. Seelenzöpfen (verschlungnes Backwerk). Kinderbelustigungen bekannter Art finden unter Aufsicht des Lehrers und des Lokalinspektors statt

3.) Im menschlichen Lebenslauf. An das sg. Versehen der Schwangern wird gernein geglaubt. Die Kinder bringt der Storch. Den Wöchnerinnen werden von Verwandten, Nachbarn u. Bekannten Geschenke gebracht (Zucker, Kaffe, Wein u. Backwerk). Dies nennt man „Weisen". Der erste Ausgang der Wöchnerin geschieht in der Regel 4 Wochen nach der Niederkunft u. zwar mit dem Kinde auf den Armen in die Kirche im Hinblick auf den Tempelgang der Muttergottes, dort das Jesuskind dem Herrn darzubringen. Die Mutter opfert hiebei eine Kerze und 20 Pfg. für die Kirche (Kirchenstiftung) statt eines früher immer für letztere bestimmten sg. Garnschnellers aus selbst gesponnen Flachs. Die Taufe findet gewöhnlich am Tage nach der Geburt statt, ein kleiner Taufschmaus immer nur in Familienhause. Bei der Namengebung werden fast immer die Pathen berücksichtigt. Als Doppelnamen kennt man hier Hansierg, Hansadam, Josefantone, Josefalois als Rufnamen, ebenso weibliche als Mariatona (Antonie) Mariekleaf (Kleopha)
Dem Liebesleben dienen die sg. Bekanntschaften, die aber unter neu[n]mal[?]
gewöhnlich nicht einmal zum Heiraten kommen, selbst öfters auch dann nicht wenn die Folgen solcher Bekanntschaften lebendig herumlaufen.
Für künftige Aussteuer an Wäsche sorgen in allen bessern Familien die Mädchen sobald sie einmal die Feiertagsschule hinter sich haben, in reichlichster Weise. Die Mütter zeigen von Zeit zu Zeit mit Stolz den „Kasten", der diese Aussteuer enthält. Der Aussteuerwagen, der das sg. Bräutzeug enthält heißt das „Brautfuder". Der Brautkranz der Jungfrau ist der Myrtenkrz, Gefallene stecken sich wohl ein Rosmarinzweiglein in's Haar. Die Brautführerin wird hier wie anders als die „Nächste" genannt. Sie zündet in der Kirche den Wachsstock an, der während der ganzen Hl. Handlung brennen muß und holt nach der Trauung, mit der hier immer eine Hl. Messe verbunden ist, die Braut am Altare ab. Nur eine Jungfrau darf als Nächste figurieren. [Randbemerkung links: Den Neuvermählten wird am Schluß des Gottesdienstes geweihter Wein gereicht, früher auch gesegnetes Brod. Es bedeutet dies die unzertrennliche Gemeinschaft der Eheleute: Aus einer Schüssel essen, aus einer Schüssel trinken.] Wenn während des Hochzeitsgottesdienstes eine Kerze am Altar schneller brennt, so muß dasjenige der Brautleute auf deren Seite dies wahrg[e]nommen wird, zuerst sterben. Das Brautkleid darf die Braut sich nicht selbst verfertigen; tut sie es, so gibt es für sie in der Ehe so viele Thränen als sie Nadelstiche macht. Beim reichlichen Hochzeitsessen im Gasthaus darf das süße Voressen (mit Zucker u. Rosinen) u. später das Süßfleisch (mit dens. Süßigkeiten) nicht fehlen. Nach der Entrichtung der „Zeche" [3] an den Wirt folgen die Geldgeschenke der Hochzeitsgäste an das Ehepaar. Die aus der Heimat fortziehende Tochter oder Sohn kehren nach 8 -14 Tagen wieder zum Besuch der Eltern zurück und holen den „Löffel“ d.h. sie erhalten jetzt von diesen das letzte Hochzeitsgeschenk; hiebei sind sie von dem andern Eheteil begleitet.

Krankheiten werden vielfach als „Sucht" bezeichnet „Es geht eine Sucht im Ort um". Es gibt im Orte einen Mann, der den Schmerz nehmen d.i. vertreiben und bei schweren Verwundungen das Blut stillen kann. Bei Rotlauf gilt als Heilmittel Roggnmehl aufstreuen und mit dem Papier des Zuckerhutes bedecken, oder auch eine Salbe von Schönmehl und Schmalz. Bei Halsweh (Angina) ein Umschlag von Schmalz als besonders heilsam. Für das so schmerzende Aufliegen der Kranken eine Salbe aus Schweinefett, Salatöl (Mohnöl) u. Rübensaft oder rotem Wein, für
Bleichsucht (1) Eisenfeile vom Schlosser, mit Zucker in eiserner Pfanne gerührt u. als Pulver genossen. Bei der Leiche brennen bis zum Begräbnis Wachslichter, bei Armen eine Oellampe (Leinöl). Der Tod muß den Bienen angesagt werden, Stubenvögel müssen den Platz wechseln. In's Grab erhalten die Toten ein Sterbekreuz in den Händen u. einen Rosenkranz um die Hände gewunden. Die Leichenwache halten 4 Nachbarn, die auch das Grab graben u. den Leichnahm zu Grabe tragen. Die Totenfahne trägt im Leichenzug der Gemeindediener, der dafür auch beim Leichenschmaus sich gütlich tun darf.
[Randbemerkung links: Verst. Wöchnerinnen werden von Jungfrauen zu Grab getragen.] Marterln hier Bildsäulen oder „Bildstöckle" genannt beeichnete die Stelle, wo einer außerhalb des Ortes jäh den Tod gefunden [hat].
1 Erkrankung des weiblichen Geschlechts in der Pubertät durch Veränderung des Blutes, führt zu Blutarmut, Kältegefühl, Unlust etc. Folge: Herzklopfen, Schwindel, Anfälligkeit für Krankheiten.

4.) In Haus-- und Feldwirtschaft: Ein schwarzer Bock wird hie u. da im Stalle zum Schutz gegen die Hexen gehalten. Beim Flurumgang am Sonntag nach Christi Himmelfahrt wird vom Kirchenpfleger die brennende Osterkerze getragen und werden die Anfänge der 4 Evangelien gesungen. Früher hatte außerdem der Mesner dahier die Aufgabe allein & ohne Begleitung das Cruzifix um die Felder zu tragen.
Als Viehkrankheiten sind zu verzeichnen, wenn auch gegenwärtig nicht vorkommend: Klauenseuche (2), Milzbrand (3), Lungenbrand (4) und das öfters vorkommende „Auftreiben" in Folge Uebersättigens mit nassem Klee und dadurch verursachtem Ersticken. Als allerdings selten erprobtes Mittel zur Verhüdung des Erstickens gilt ein starkes Strohband dem betroffenen Stück quer durch das Maul zu ziehen während der Kopf hoch gezogen wird. Beim Austreiben erhalten die Kühe als Schmuck die Glocke.
Die Wetterregeln sind zahlreich wie der Sand am Meer. Hier gelten besonders folgende: Simi (Simon) u. Jaud (Judas Th.) hängen den ersten Schnee an d'Staud. Pauli Bekehr (25. Januar) [4] Winter halb hin u. halb her. Wenn an Lichtmeß die Sonne auf das Wachs in der Kirche scheint, geht der Dachs noch 40 Tage lang nicht aus seinem Bau. Wenn es an Gregori (12. März) gefriert, geschieht dies 40 Tage hindurch. Wie Maria [Heimsuchung] (2. Juli) über das Gebirge geht kehrt sie wieder heim. Wenn es an Aegidi (1. Sept.) regnet, ist längers Regenwetter zu erwarten. Unter den Kalendern, deren manche in der Gemeinde cursieren nimmt die erste Stelle in allen Familien ein der Kempter Kalender, weil er wie die Bauersleute sagen, das Wetter am besten verräth.
1 Erkrankung des weiblichen Geschlechts in der Pubertät durch Veränderung des Blutes, führt zu Blutarmut, Kältegefühl, Unlust etc. Folge: Herzklopfen, Schwindel, Anfälligkeit für Krankheiten.
2 Durch Viren hervorgerufene Krankheit der Wiederkäuer und Schweine mit Bläschenbildung an Maul, Klaue und Euter.
3 Akute, fieberhafte, tödlich verlaufende Infektionskrankheit von Rindern, Schweinen, Schafen und Pferden, auf Menschen übertragbar.
4 Fäulnisprozeß im Lungengewebe

5-) Beim Handwerk: An Handwerkern gibt es in dem kleinen Dorfe Mattsies
(506) Seelen) 1 Schreiner, 1 Wagner, 2 Schmiede, 2 Schneider (beide ledig) 3 Schuhmacher, 1 Glaser 1 Sattler 1 Maurer, 2. verheir. Zimmerleute. Im Hause der Kunden arbeitet nur 1 Schuhmacher. Man nennt dies auf der Stör arbeiten. Die genannten Arbeiter sind alle Meister u. ein Schuhmacher hat einen Lehrling. In Mattsies sind 2 Mahlmühlen, die eine oberschlächtig am Dorfbach, die andere unterschlächtig am Lettenbach. Mit letzterer ist eine Sägemühle verbunden.
Johanesminne trinkt man im Gotteshaus am Tage des hl. Apostels Johanes 27. Dez.
Die Kreuzhaue wird Pickel oder umgekehrt genannt.
Beim Dingen erhält der künftige Dienstbote die „Hafting", d.s einige Mark an Geld, was ihn berechtigt aber auch verpflichtet in den hiedurch bestimmten Dienst einzutreten. Die Dienstboten erhalten außer dem jährlich bedungenem Lohn auch noch das sg. Gefäß, das sind Kleidungsstücke und die Jachumszech d.i. Trinkgeld an Jakobi 25. Juli. [Randbemerkung links- Das Gesinde wechselt an M. Lichtmeß, 2. Febr.]
Das Ausdingrecht der Alten ist die Pfründe bestehend zumeist in Naturalien. Den Hof erhält in den meiste Fällen der ältere Sohn, die andern Geschwister haben nach der Uebergabe kein Anrecht auf Verbleiben im Hause.
Die Gränzen werden durch Vormerkung mit Pfählen oder nunmehr auch mit Marksteinen gesichert. Wo beides nicht geschehn, bezeichnet ein schmaler unbebauter Strich zwischen den Feldern, der sg. Roi die Grenze. Das Gränzverrücken galt im Bauernstand von jeher als so große Sünde, daß der Täter keine Ruhe nach seinem Tode finden konnte, sondern nächtlich „um gehen" mußte u. erst dann erlöst werden konnte, wenn sich jemand fand, der ihm sagen konnte, wo der Gränzstein hingehöre. Wenn es diesem zum Dank die Hand entgegenstreckte, mußte er sich hüten diese zu ergreifen, weil er sich sonst an der heißen Hand des Geisternden furchtbar verbrannte. Ein Ruggeist ist leider nicht mehr vorhanden. Wäre vielleicht recht gut, wenn einer [5] wieder auferstehen würde.
Bei den Gemeindewahlen erhalten die Neugewählten einen kleinen Schmaus im Gasthaus mit Bier und Braten. Die Frohnen gehen Reih' um; darunter auch die Kirchenwacht während des Hauptgottesdienstes an Sonn-und Festtagen oder der „Spieß", wie diese Wacht genannt wird. Es sind immer zwei Männer, die zu diesem Zweck mit Spießen ausgerüstet sind.
Die Flurgränzen der Gemeinde sind mit hohen glatten Pfählen bezeichnet, welche auf glatten Seiten die Namen der beiden an einander angrenzenden Gemeinden aufweisen. Der Marktverkehr geht hauptsächlich nach Mindelheim.

Anmerkung zu Johannesminne: (nicht aus dem Buch)
Johannesminne oder Johannessegen heisst ein vom Priester im katholischen Deutschland geweihter Wein, den jener am Tage St. Johannis Evangelistage, 27. Dezember, am Altare der Gemeinde mit den Worten reicht: bibe amorem Sancti [458] Johannis in nomine patris etc.; oft wird der vom Hausvater in die Kirche gebrachte, stets rote Wein bloss vom Priester geweiht und erst zu Hause feierlich getrunken, von der ganzen Familie der Reihe nach aus demselben Becher, selbst von dem Kinde in der Wiege, zum Teil aber aufbewahrt oder in die Weinfässer gegossen. Missverständlich wird vom Volke die Johannesminne bisweilen als eine Art Abendmahl betrachtet. Dieser Wein bewahrt den übrigen Wein vor Verderbnis und hält von ihm bösen Zauber ab; als Heilmittel wird der Rest von Erkrankten getrunken, vor einer Reise als Schutz und Stärkung; das Brautpaar trinkt ihn bei der Trauung, wo er ihm vom Priester nach vorangegangener Segnung gereicht wird. Ähnlich, aber ohne die kirchliche Feier, ist ein zum Teil auch im evangelischen Süddeutschland am Johannistage, 24. Juni, getrunkener Johannissegen. Man deutet denselben auf den von dem Apostel getrunkenen Giftbecher, manchmal auf die Hochzeit zu Kana; er ist aber unzweifelhaft eine von deutschen heidnischen Trankopfern abstammende uralte Sitte, die nur christlich umgestaltet wurde. Johannes, der jugendlich vorgestellte Apostel des Friedens und der Liebe, scheint an die Stelle Freyrs, des freundlichen Gottes des Friedens und der Fruchtbarkeit getreten zu sein, dessen Feste sowohl in die Winter- als in die Sommersonnenwende fielen. Bei Hochzeiten opferte man dem Freyr, trinkt man den Johannissegen. Wullke, Volksaberglaube, § 194. Zingerle, Johannessegen. 1852.

-Nahrung u. Kleidung,Wohnung u. Geräte

Der ehemalige Ortspfarrer Dekan u. Geistl.Rat Christian Hold hat auf Anfrage des Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde einen sehr interesanten Bericht abgeliefert.

Dieser Bericht wurde veröffentlicht im Buch "Alltag und Brauch in Bayerisch-Schwaben" bearbeitet von Gerhard Willi erschienen 1999 im Verlag Wißner, Augsburg.

II Nahrung u. Kleidung, Wohnung u. Geräte.

Nahrung: Hauptnahrung sind Mehlspeisen, die schon unter I aufgeführt sind. Eine besondere Form derselben sind die „Maultaschen anderswo Krapfen genannt. Als Getränk Weißbier oder Halbbier aus der Schloßbrauerei oder Scheps (6); nur an den hohen Festtagen gab es bisher braunes Bier u. Fleisch. Nun werden auch bei vermöglichern Familien gegen Neujahr hin Schweine geschlachtet. Da gibt es dann an Sonntagen Fleischknödel u. manchmal auch unter der Woche ein Schweinernes im Kraut. Wo die Milch alle in die Molkereien wandelt, behilft man sich leider mit Bier auch an Werktagen u. müssen die Kinder ihre früher so geschätzte

Sauermilch, den sg. Schlötter entbehren. Während der Heu= und Getreideernte gibt es in allen Häusern, in denen Dienstboten sich befinden, täglich Kücheln im Rindschmalz, aber auch im Schweinschmalz gebacken.

5 Lkrr. Unterallgäu
6 Geringeres Bier, Nachbier - Scheps (eine Brauart) war ein in Bayern beliebtes Dünnbier. Es war naturtrüb (ungefiltert) und hatte einen sehr geringen Alkoholgehalt. Hauptkonsumenten waren die gering verdienenden Bevölkerungsschichten.

2.) Die Kleidung der weiblichen Einwohner – Frauen, Töchter u. Mägde – hat durchwegs städtischen Schnitt. Es sind hier nur mehr zwei Müteren [!] die an Festtagen noch die alte schöne Bauerntracht tragen, wie man diese nur mehr in Museen bewundern kann.
Die Trauer dauert bei Verheirateten ein Jahr, bei Geschwistern ein Halbjahr, bei Kindern 4 Wochen.
Der Rosmarinzweig bei Hochzeiten steckt in der Zitrone. Diese trägt gewöhnlich nur der trauende Priester während des Zuges zur Kirche u. aus derselben.
(Unheil abwehren: Abwehrcharakter haben Rosmarinzweige und Zitrone)

3.) Wohnung u. Geräte: Die Bewohner dahier halten viel auf auf [Schreibfehler, nur einmal „auf'] hohe u. geräumige Wohnhäuser. Im obern Stock befindet sich die Vorderkammer (Schlafstube) mit Kleider= u. Fußnetkasten (7) d.i. der Waschschrank [Wäscheschrank], der nach oben hin zum Glaskasten wird, in welchem feinere Porzellan= & Steingutsachen aufbewahrt werden. Die über der Küche befindliche Kammer heißt Kumletkammer, weil durch sie der Kamin aus der Küche heraufsteigt. Der obere Gang heißt Soler, der untere die Haustenen, die Fensterläden Blickel.
(7) Truhe am Fußende des Bettes

[6] Gesponnen wird nicht mehr sehr häufig, wo es aber geschieht, stets am einfachen Spinnrad.
Der Kummetschmuck der Rosse ist die Dachsschwarte.
Die Dorfbefestigung weist ein Wallgraben auf, der den größten Teil des Dorfes einschloß u. trotz der vielfachen Ausfüllung sich noch genau verfolgen läßt. Derselbe schloß doppelt einen künstlich aufgeworfenen Hügel den hier genannten Tanzberg ein u. ist der Wallgraben am westlichen Teil derselben besonders breit u. tief. [Randbemerkung links: Lange Ziegelsteine u. angebrannte Balken beweisen, daß auf diesem Hügel ein Gebäude (Schloß) gestanden.] Auf dem Platz vor dem Gottesacker steht eine noch nicht alte Linde, unter welcher die Mädchen der Werktagsschule zu spielen.

Der ehemalige Ortspfarrer Dekan u. Geistl.Rat Christian Hold hat auf Anfrage des Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde einen sehr interesanten Bericht abgeliefert.

Dieser Bericht wurde veröffentlicht im Buch "Alltag und Brauch in Bayerisch-Schwaben" bearbeitet von Gerhard Willi erschienen 1999 im Verlag Wißner, Augsburg.

III. Glaube u. Sage.

Gespenster. Ein Bauersmann, der noch nicht übermäßig lange gestorben, daher auch dessen Name [nicht?] genannt wird, hatte eines Tages im Felde gen Rammingen (8) zu gepflügt. Da die Arbeit nicht glatt von statten gieng ng er an gotteslästerlich zu fluchen. Nun stand plötzlich ein schwarzer Hund vor ihm, der ihn mit feurigen Augen anglotzte. Als der Bauer erschreckt heimeilte verfolgte ihn das gespenstische Thier bis nahe zum Dorfe hin. Ein anderer Bauersmann, der sich ähnlich verfehlt, u. noch andere Sachen auf dem Gewissen hatte, mußte den Gottseibeiuns (wie die Leute sagen, um den Namen Teufel nicht aussprechen zu müssen) mit einem „Gäbelesstecken“ versehen am Tische sitzen sehen. Der Bilmesschnitt hier

Durchschnitt genannt ist öfters schon beobachtet worden. Hauskröten hat das Pfarrhaus von Mattsies seit Jahren meines Hierseins unter der Treppe der Haustüre. Sie machen sich durch Laute bemerkbar u. ist es ein ganz netter Anblick wenn die jungen in lauen Nächten herauskriechen
7 Truhe am Fußende des Bettes
8 Lkr Unterallgäu
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Der Hexenglaube ist auch hier zu finden und ist derselbe umso bedauernswerter, da er Veranlassung zu Feindschaften wird. Die Hexenbanner, deren Namen u. Wohnort aber ziemlich verheimlicht wird, laßen sich für ihre Kunst gut bezahlen. Die Feindschaften rufen sie dadurch hervor, daß sie die Leute bei denen sie ihren Schwindel treiben, befragn, ob nicht in letzter Zeit jemand im Ort etwas bei ihnen entlehnt habe, oder sie sagen: „ Gebt acht, es kommt bald jemand, der etwas bei euch entlehnen wird" u. kommt nun so ein Unglücklicher u. will eine Säge, Hacke, Holzschlegel xx entlehnen - jetzt ist die~ Hexe entlarvt.
Wenn die Katze beim Daliegen ihren Kopf so dreht, daß sie auf die Stirne oder wie die Leute sagen auf das Hirn zu liegen kommt, so gibt es [7] Wind Deselbe ist der Fall, wenn eine Kochpfanne über dem Feuer stark glüht. Im zunehmenden Mond soll man keine Rettige „stupfen", kein Odelwasser auf die Felder führen keinen Dünger streuen. Die Bruthennen soll man nur dann auf die Eier setzen, wenn man sicher ist, daß die Kücken nicht zur Zeit des Vollmonds das Licht der Welt erblicken. Spinnen insbeso. die Kreuzspinne am Morgen bedeutet Unglück, am Abend Glück; daher der Spruch: Spinnen am Morgen Kummer u. Sorgen, Spinnen am Abend erquickend u. labend. Die Zahl der erstmaligen Kuckucksrufe im Frühling bedeutet für den Hörer die Zahl der Jahre, die er noch auf Erden zu leben hat.

-Volksdichtung

Der ehemalige Ortspfarrer Dekan u. Geistl.Rat Christian Hold hat auf Anfrage des Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde einen sehr interesanten Bericht abgeliefert.

Dieser Bericht wurde veröffentlicht im Buch "Alltag und Brauch in Bayerisch-Schwaben" bearbeitet von Gerhard Willi erschienen 1999 im Verlag Wißner, Augsburg.

IV. Volksdichtung

Wiegen= u. Reitliedchen:
Schlaf Kindle schlafe, im Garten da gehen die Schafe, Im Garten da gehen die Lämmer so weiß Gib acht mein Kindle, daß di keins beiß.
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Eia popeia schlag s'Hennele tod,
Legt m'r keine Eier, frißt m'r mei Brod,
Reißen wir ihm die Federle aus,
Machen dem Kind a Bettle daraus.
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So, so reiten die kleine Kind,
Wann se kloiwinzig sind,
Wann sie groß war'n,
Reitens wie d'Herrn.
----------------------
Hanselma hat Stiefel ä
Da Säbel an der Seita,
Hat s'Roß verkauft, hat's Geld verspielt
Jatz kann 'r nimma reita.
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Beim Beerensammeln singen die Kinder:
Hoi gau (Heim gehen;) Vollhau ERdbeer (Hohlbeer) männle brocka lau.
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Den Storch begrüßen die Kinder: Storch, Storch, Schnibel, Schnabel mit der
langen Heugabel fliag über's Bäkahaus
lang droi Wecka raus, mir ein, dir ein
u. dem xx. koin.

-V. Mundart

Der ehemalige Ortspfarrer Dekan u. Geistl.Rat Christian Hold hat auf Anfrage des Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde einen sehr interesanten Bericht abgeliefert.

Dieser Bericht wurde veröffentlicht im Buch "Alltag und Brauch in Bayerisch-Schwaben" bearbeitet von Gerhard Willi erschienen 1999 im Verlag Wißner, Augsburg.

V. Mundart

1.9 Name des eigenen Orts. Mattsies. Bis zur amtlichen Festsetzung der Schreibweise, die ja vielfach nicht glücklich gewählt wurde, schrieb man Mazzies oder noch älter Maggensies, was wie Steichele 11 meint u. auch wahrscheinlich ist Besitz des Maggo bedeuten soll. Maggo wohl eine in alter Zeit beliebte Ausdrucksweise für Mathias, wie Gozzo für Gottfried, Juzzo für Judebert xx. Geschichtliches ist in Steichele, Das Bisthum Augsburg, 2. Bd. S. 365 ff. zu finden.

Merkwürdige Flur= x. Namen. Das obere (südliche) u. untere (nördliche) Eschle, lauter züchtiges Ackerland. Ozenloh, wieder sehr gutes Ackerland. Gerwiesen u. Geräcker. Luß= oder auch Lausanger, minder gute Wiesen. Heselwang, waldiger Höhenzug gegen Westen, der Oelberg, waldiger Streif gegen NW. Der Wartberg gegen Westen. Der Lettenbach im Thal gegen Osten, der Hürnbach im Hürnbachthal gegen Osten. Das Torfmoor gegen Norden heißt das Moos, der Brenndorf [Verschreibung: Brenntorf?] führt den Namen Waasen.

Die Zugochsen heißen Molle, das Gethier Mähne.
Das Fürwort uns heißt eus, der euser. Eusere Kinder statt unsere K. Weh oder Wach bedeutet stolz, vital, besonders Kleiderhoffahrt.
«Krea macha" heißt eine Arbeit fertig machen; besonders die Arbeit im Viehstall beendigen heißt im Stall krea macha.
Der Taufpathe heißt s'G'vätterle.

Feci qud potui. (Ich habe gemacht was ich konnte)
Mattsies 5. Februar 1909 Ch. Hold, Pfarrer.