Pestzeit und 30jähriger Krieg

Auswirkungen in Mattsies

Pestzeit:

In die Herrschaftszeit der Fugger fällt der 30jährige Krieg, in dem Pest, Hunger und Krieg so ungute Triumphe feiern sollten, daß Mattsies etwas mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung verlor.

Ausschnitt aus "Deutsche Gaue" (Zeitschrift der Heimatforscher)
Hochw. Herr bischfl. geistl. Rat und Dekan Chr. Hold, Mattsies hat uns die Sterblichkeitstabelle der ersten 25 Jahre des ältesten dortigen Sterbebuches zur Verfügung gestellt, welche wir behufs Vergleichung mit anderen Orten zusammenstellen.

   Jahr      Tote           Jahr      Tote         Jahr Tote   Jahr Tote   Jahr Tote
1614 24   1619 4   1624 15             1629   10    1634 72

1615

--   1620 4   1625      8           1630 10        1635  66 
 1616 5   1621 13   1626 6   1631 8   1636 4
1617 8   1622 10   1627 14   1632 12   1637 4
1618 ---   1623 10   1628 7   1633 8   1638 2

Die Toten der beiden Pestjahre wurden alle von dem um die Pfarrei höchst verdienten Pfarrer Lober beerdigt, der aber dann anfangs August auch von der Pest dahingerafft wurde, welcher so oft furchtlos , seines hl. Berufes waltend in das erdfahle Antlitz geschaut hatte.
Durch schwedische Soldaten ließen ihr Leben (mittelbar oder unmittelbar) 
1633: Anna Stadlerin, Kindbetterin Heinrich Mayr
Christina Knaussin,
Maria Beringerin;
1634: Jakob Schuster,
Anna Eggin,
Barbara Zirigerin
Math. Mayr

 

Mattsies vor und im 30 jährigen Krieg
Das Dorf Mattsies zählte vor dem 30jährigen Krieg etwa 500 Einwohner und erfreuten sich eines ziemlichen Wohlstandes.

Die Häuser waren nicht schön, hatten eine ungefällige Form; die obere Hälfte der Giebelseite war ein Bretterverschlag nur gegen die untere Giebelhälfte etwas vorspringend. Das letzte dieser charakteristischen Häuser wurde dahier erst vor einigen Wochen - weil baufällig - angebrochen. Die Häuser waren aus Holz, Lehmwände und Fachwerk erbaut, letztere hatten nicht selten einen sehr hohen Dachstuhl, wie wir uns noch an den Häusern des Schmiedbauern, Fichtl und Pfarrhofs überzeugen können. Die Dorfstraße war die gleiche wie heutzutage. In den Hofräumen sahen wir Scharen von kleinem Geflügel und auf den großen Weideplätzen grasten Pferde, Jnugvieh-, Ochsen-, Kuh- und Gänseherden. Die Hirten spielten damals überhaupt eine große Rolle, weil ja alles Vieh auf die Weide getrieben wurde und auch bei Nacht im Freien blieb. Die Hirten waren amtlich verpflichtet und waren beim "Dingen" sowie beim "Eintrieb", beim "Hörnerabsägen", beim "Besichtigen der Tränkbrunnen" immer kleine Trinkgelage verbunden. Da es damals noch ganze Rudel von Wölfen gab, die während des 30jährigen Krieges erst recht überhand nahmen und überdies Roßdiebereien nicht zu den Seltenheiten gehörten, so hatten die Hirten nicht immer eine leichte Aufgabe. Die Familien der "Hindelang" und der "Schmid" waren Jahrhunderte hindurch die Hirten, wohnten im sogenannten "Hirtenhaus" - ein besseres Armenhaus - und waren und blieben arm. Ein Roßdieb aus K...... wurde hier gehängt (der Galgen stand auf dem heute noch nach ihm benannten Galgenberg, rechts von der Vierzehn Nothelferkapelle). Sehr interessant war die Wirtsrechnung über das Henkersmahl und über die "Zehrung" der als Zeugen zugezogenen Männer. Leider ist dies interessante Schriftstück so gut aufgehoben worden, daß es nicht mehr zu finden ist.
Auf die Kultur der Wiesen wurde damals nicht viel verwendet und die ganze Fläche von hier bis zum Moos bei Hausen war eine Weide und heißen die Wiesen heute noch "Viehweidteile", ebenso die Flächen auf den Höhen, welche jetzt zu Äckern umgewandelt sind. Flachs wurde hier sehr viel gebaut und nach Kirchheim (Fugger) verkauft. Getreidearten waren dieselben wie heutzutage. Man darf annehmen, daß die Landwirtschaft vor dem 30jährigen Krieg hier und an anderen Orten soweit voran war, wie etwa ums Jahr 1800.
Die Bauern waren damals zehentpflichtig den Gräfl. v. Fugger`schen Standesherrn und Pfarrherrn von hier. In Mattsies war ein Pflegeamt - das jetzige Schmidbaueranwesen -: im Jahre 1632 starb Kasparus Huber, Fugger`scher Pfleger allhier, und hat bei seinem Tode verordnet, unter die Armen auszuteilen 20 fl., zu einem ewigen Jahrtag 70 fl., zu unserer lieben Frauen- Bruderschaft 10 fl., in Summa 100 fl.
Schon in den Jahren 1627 und 1628 traten einzelne Pestfälle auf, jedoch hielt der "schwarze Tod" hier seine Ernte erst recht im Schwedenkrieg 1633 - 1635, in welchem Kriege Mattsies ein großes Totenfeld wurde.
Im 30jährigen Krieg wurde, wie die umliegenden Ortschaften so auch Mattsies, fürchterlich mitgenommen.
Im Oktober 1632 erschienen die Schweden und plünderten die Ortschaft und die Kirche vollständig und ließen von allem, was in der Kirche war, nichts zurück als das Gefäß mit dem hl. Öl, welches heute noch verwendet wird. Was die schwedischen Soldaten nicht stahlen, das nahmen die Weiber und Kinder der Soldaten; dei Weiber und Kinder derselben drangen unter Geschrei und Gejohl in die Häuser ein und nahmen tatsächlich alles mit fort, was nur zum Mitnehmen war. Den armen Einwohnern blieb nichts, als was sie am Leibe hatten; ihre schönen Viehställe waren leer und das Getreide wurde mitgenommen, oft sogar die Garben.
Wer sich widersetzte, der durfte von Glück sagen, wenn ihm nur sein Haus in Brand gesteckt wurde; meistens wurde er sofort von den Schweden erschlagen. Auf diese Weise verloren hier in den Jahren 1632, 1633 und 1634 sechs Personen ihr Leben und eine Person starb vor Schrecken. Um Geld zu erpressen gaben sie nämlich den Leuten den sog, "Schwedentrunk". Man sperrte ihnen mit Hölzchen den Mund auf und schüttete Mistjauche ein und trat dann mit den Füßen auf ihnen herum, so daß die Jauche wieder beim Munde herausspritzte. Auch banden die Schweden den Leuten beide Hände auf den Rücken und zogen ihnen mit einer durchlöcherten Ahle ein Roßhaar durch die Zunge; dann suchte man ihnen durch Ziehen an dem Roßhaar die größten Schmerzen zu bereiten, und bei jedem Schrei, den der Unglückliche ausstieß, versetzte man ihm vier Schläge mit der Karbatsche auf die Waden. Zu diesen Greueln kam ein Viehseuche, so daß auch jene Tiere verendeten, welche die Bauern vor den Schweden versteckt hatten.
Die Felder konnten nicht mehr bestellt werden, weil kein Saatgetreide vorhanden war und weil es an Zugtieren fehlte. Wenn der eine oder andere Bauer auch wieder Vieh kaufte, so wurde dasselbe ihm im folgenden halben Jahre schon wieder abgenommen, denn die Schweden plünderten Mattsies nicht nur 1632, sondern auch 1633, 1634 und 1635.
Auf diese Weise mußte eine Hungersnot kommen, die so arg war, daß die Menschen Gras aßen, ja sogar Fleisch vom Schindanger holten und wie Raubtiere über die Pferde herfielen, welche den Schwedeb verendeten. Die Chronik erzählt, daß ein Mann eine Pferdehaut zusammenschnitt und wie "Kutteln" zugerichtet aß, ferner daß eine Frau das gestorbene Kind ihrer Schwester aß. Eine Klosterchronik erzählt aus damaliger Zeit von Augsburg, daß man in Augsburg, nachdem es länger belagert worden war, in den Kaminen vom Rauch geschwärzte Leichen fand, welche die Leute in den Kamin gehängt hätten, um sie zu essen.
Zu dieser Hungersnot kam dahier wie überall eine sehr ansteckende Krankheit - die Pest oder der "schwarze Tod", so genannt, weil die Leichen der daran Verstorbenen ganz schwarz wurden. Diese Krankheit führte meistens nach zwei bis drei Tagen zum Tode, Die Pest herrschte hier hauptsächlich in den Jahren 1634 und 1635, vereinzelt auch schon in früheren Jahren. Durch diese Krankheit starben ganze Familien aus, so daß die Häuser leer standen. So starb die Familie Zehender, 6 Personen - die Eltern und 4 Kinder - in der Zeit vom 3. September bis 5. Januar vollständig aus. Am stärksten war die Sterblichkeit im September 1634, in welchem Monate 30 erwachsenen Personen starben - ohne die Kinder, die in den Totenbüchern gar nicht aufgezeichnet sind.
Die Leichen wurden auf zweiräderigen, schwarzen Karren, den sog. "Pestkarren", in den Häusern geholt, auf diese Karren geworfen und den sog. "Pestfriedhof" - jede Gemenide mußte einen solchen haben - gebracht und in großen Massengräbern beerdigt. Wo für Mattsies dieser "Pestfriedhof" war, weiß niemand mehr.
An der Straße von hier nach Hausen stehen auf der Höhe im Wald drei Kreuze. Die Sage erzählt, daß zurzeit der Hungersnot und der Pest die Leute von Hausen den Mattsiesern oder vielleicht auch umgekehrt das Essen hinstellten. Wahrscheinlich war hier auch der Pestfriedhof, vielleicht gemeinsam für Mattsies und Hausen.
Es erscheint unglaublich, daß nach kaum 300 Jahren niemand mehr weiß, wo der Pestfriedhof war, der doch 100 - 200 Jahre lang in aller Leute Mund war und den sicherlich der Vater dem Sohne zeigte und erzählte, was auch ihm sein Vater einst von einst von den Schrecknissen dieser Zeit und dieses Ortes gesagt hat.
Nicht selten kam es vor, daß die Eltern an der Pest starben und eine Schar Kinder hinterließen. Diese sollen jammernd und heulend auf den Straßen umhergelaufen sein, bis sie vor Müdigkeit und Hunger umfielen und für sie die Pest der beste Erlöser war, wenn sie nicht über Nacht von den herrenlosen, hungrigen Hunden und Wölfen, welch letztere in diesem Kriege sehr überhand nahmen und rudelweise nachts in die Ortschaft kamen, aufgefressen wurden. Die Kinder nahm deshalb niemand auf, weil man Ansteckung fürchtete und die andeen Leute für ihre Kinder nichts zu essen hatten.
Im Jahre 1634 starben hier an der Pest 73 und bis Juli 1635 67 Erwachsene, ohne die Kinder, zusammen 140 Personen in 1 ½ Jahren. Da nämlich im Anfang des Monats August Pfarrer Lober von der Pest hingerafft wurde, fehlen die Aufzeichnungen der Verstorbenen bis März 1636. Vom August 1635 bis März 1636 war also gar kein Pfarrer oder Seelsoger hier, wahrscheinlich deshalb, weil nur wenige Menschen mehr hier waren, Auch in Unterrammingen scheint zu dieser Zeit ein Geistlicher nicht gewesen zu sein, da die Unterramminger vom Jahre 1634 ab im Totenbuch von Mattsies verzeichnet sind.
Nach dem 30jährigen Kriege dürften hier höchstens noch 100 Erwachsene gewesen sein; man kann sich leicht denken, daß sich hier, wo die Pest so viele hinraffte, Fremde nicht niederlassen wollten und wenn nicht die frommen und ausdauernden hochwürdigen Herren Geistlichen Lober, Kohler und Brüler gewesen wären, die Leute zum Bleiben in Mattsies und Wiederaufbau ihrer zerstörten Wohnungen aneiferten, so hätte Mattsies das Schicksal vieler Ortschaften getroffen - ein verlassener Trümmerhaufen hätte der Nachwelt gezeigt, daß hier einst ein Ort Mattsies gestanden. Man kann sich einen Begriff machen, wie es um diese Zeit hier aussah, wenn der Chronist bemerkt, "daß auf den Straßen im Dorfe Stauden wuchsen". Besonders ehrend sei noch gedacht des hochw. Herrn Pfarrers Lober, der ebenfalls an der Pest starb, nachdem er mehr als 150 Pestkranken mit wahrer Todesverachtung die Sterbsakramente spendete. Ehre seinem Andenken! -
Im Jahre 1635, in welchem Jahre Herr Pfarrer Lober starb, wütete die Pest und ihre Gefährtin, die Hungersnot, am stärksten und starben in diesem Jahre in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Junli 67 Erwachsene und von diesen 67 waren 36 verhungert.
Daß namentlich jene von der Pest ergriffen wurden, die mit den an der Pest Verstorbenen zu tun hatten, ist leicht begreiflich und starben neben HH. Pfarrer Lober innerhalb eines Jahres auch 6 Totengräber:
am 17. September 1634 Balthasar Schmidt,
am 7. Oktober 1634 Johannes Schmidt,
am 13. Oktober 1634 Johannes Kolma,
am 14. Januar 1635 Balthasar Schmidt
am 26. Juni 1635 Maria Schmidtin,
am 27. Juni 1635 Georgius Meichelböck.
Von nun an erscheinen "Todtgräbl" nicht mehr, da sich wahrscheinlich zu diesem Geschäfte niemand mehr herbeiließ. Das Begraben der Verstorbenen besorgten die Nachbarn, wie dies heute noch dahier üblich ist.
In dem Gotteshause sah es traurig aus. Alles, was irgendwie verwendet werden konnte, nahmen die schwedischen Soldaten mit und verkauften das Gestohlene an die Händler; die Chorröcke und Alben stahlen die Soldatenweiber und machten Hemden für ihre Kinder. Das hl. Opfer konnte nur in bleiernen Kelchen dargebracht werden, alles andere war gestohlen oder wäre gestohlen worden, wenn es nicht wertlos gewesen wäre. Noch schlimmer als mit den kirchlichen Verhältnissen war es mit der Schule bestellt. Der älteste ludirector (Lehrer) war Franz Detzer 1604; diesem folgte Jos. Rueff als ludirector, welcher im Jahre 1606 als Zeuge in pfarrlichen Büchern aufgeführt ist.
Am 4. Mai 1617 stirbt Jörg Rueff, ludimoderator, sodann erscheint i. J. 1619 als solcher Hans Weitbrecht, gestorben in Campo am 23. Mai 1626.
Andreas Dietell, ludimod. 1623; von ihm ist die Sebastiansstatue, die heute noch in unserer Kirche ist.
Im Jahre 1629 ist ein Hans Micheler, als ludimoderator aufgeführt und ist als Schulinventar aufgeführt: "zwo lange schnell-taffeln, zween lange stiel (Stühle), ein Aufschlagtischlein und ein kupferner Höllhafen". (Anm.= Gefäß zum Warmhalten von Flüßigkeit,meist im Ofen eingemauert, (Kachel-Gußofen))
Hanß Mayr war Schneider und ludirector; er hat 1635 1 fl. 24 kr. zu einer Sebastianskerze gesamblet - welche von den schwödischen Gottesdieben gestohlen wurde".
Im Jahre 1646 ist im Totenbuch dahier als Lehrer verzeichnet ein Jakob Wacker mit dem Bemerken, "er habe hier zwee Winter schuell gehalten zu der Jugent großem nutzen". Von da an schweigen die Akten bis 1712. Einzig ein Martin Rueff ist als aedituus (Mesner) aufgeführt, der viellecht auch die Schule zu versehen hatte. "Die Schul fängt an nach aller heilig und wehrt bis gegen Ostern". Sommerschule wurde nicht gehalten; Gehalt wöchentlich 6 Pf. nebst einem "Scheit" Holz.
Daß die Leute durch einen 30 Jahre dauernden Krieg verwilderten, ist ganz begreiflich und nur der frommen und eifrigen Ortsgeistlichkeit ist es wiederum zu danken, daß nach und nach an Stelle der Verwilderung und Sittenlosigkeit geordnetere Verhältnisse traten. (T)
---ENDE !---